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Impulskontrolle im Reizfeld

von Anja Niederberger



Hunde dürfen und sollen lernen, dass nicht jeder Reiz beantwortet werden muss. Sie dürfen die Erfahrung machen, dass sie sich selbst regulieren können, dass sich Impulskontrolle lohnt und eine Umorientierung zu ihrem Menschen toll ist.

 

Dafür braucht es nicht notwendigerweise Abbrüche oder Kommandos. Wenn das Lernumfeld so gestaltet ist, dass es für den Hund bewältigbar werden kann und niemand zu Schaden kommt, kann man den Hund durchaus über Selbstwirksamkeit an die Impulskontrolle heranführen.

 

In dieser Variante wirken wir nicht auf den Hund ein, sondern führen ihn an einer immer gleich lang bleibenden Leine «passiv» durch das zuvor präparierte Reizfeld. Wir bewegen uns langsam, möglichst rhythmisch in Bögen, Schlangenlinien und mit Wendungen und Richtungswechsel. Solange unser Hund an die Reize ran will und dadurch an straffer Leine geht, bewegen wir uns immer gleichbleibend und ohne mit dem Hund zu sprechen. Es werden also weder Ablenkungen noch Abbruchsignale und auch keine Locksignale getätigt. Der Hund bekommt dadurch Zeit, sich mit den Reizen auseinanderzusetzen und über die langsame, rhythmische Bewegung in die Ruhe zu finden. Der Hund ist dann in der Impulskontrolle, wenn er von sich aus die Leine lockert, sich also quasi selbst halten kann. Damit beginnt auch, dass er seine Gefühle immer besser halten kann (=Containment). Dieser Zustand wird von uns ruhig verbal gelobt. Sollte der Hund von sich aus, ohne Locken oder Ansprechen unsererseits, den Blick zu uns wenden, kann dieser Blick (=Umorientierung) durchaus mit Futter verstärkt werden. Was dabei aber nicht fehlen sollte, ist das verbale, soziale Loben während der Futtergabe.

 

Wir geben dem Hund immer wieder kleine Pausen, indem wir ihn aus dem Reizfeld rausnehmen und ihn entspannen lassen, sozusagen ein Ausatmen ermöglichen. Je nach Erregungszustand des Hundes kann hier auch das „Erden“ mittels Stand-by von Ina und Thomas Baumann gute Dienste leisten.

 

Schritt für Schritt werden die Reize erhöht. Die Vorgehensweise jedoch bleibt immer die Gleiche. Eine weitere Schwierigkeitsstufe stellt die Bewegung der Reize dar. Arbeitet man mit Futterreizen, können diese Schritt für Schritt immer hochwertiger gesetzt werden.

 

Durch die entstehende Selbstregulation, eine feine Impulskontrolle und ein Entschleunigen von Hund und Mensch sehen wir dann, dass die Reize für den Hund an Wert verlieren, der Hund sich immer besser am Menschen orientieren kann und im Übungsverlauf mit immer längerer und lockerer Leine durch das Reizfeld gehen kann. Und dies alles ohne aktives Zutun und ohne Unterbrechungen seitens des Menschen.

 

Es lohnt sich, im Alltag immer wieder zu überlegen und zu hinterfragen, ob ein Verhaltensabbruch sinnvoll ist oder ob man den Hund auf einen auf Selbstwirksamkeit und selbsterschaffene Lösungen aufgebautem Weg begleiten kann. Die Entscheidung, was wann zu tun ist, hängt von dem jeweiligen Reiz ab, von der Gesamtsituation und vom individuellen Hund. Zu beachten ist ausserdem, ob ein Verhaltensabbruch in der jeweiligen Situation überhaupt für den Menschen und den Hund umsetzbar ist (Beziehungsqualität, Respekt, Erregungsniveau des Hundes, Timing etc. werden davon beeinflusst).

 

Dieses Impulskontrolltraining im Reizfeld ist eine Übung, die ich in meiner Tätigkeit als Hundetrainerin regelmässig seit 10 Jahren in den Gruppentrainings unterrichte. Am Meisten freut es mich, wenn die Kund*innen es schaffen, das auf dem Platz Gelernte in ihren Alltag zu übertragen. Dann kann man durchaus von einer Win-Win-Situation sprechen!

 

Die Basis dieser Reizfeld-Übung habe ich durch Harry Meister kennen gelernt. Ich hatte die Ehre, diese Übung nicht nur mit meinem Schäferhund Flint als Kundin von der Pike auf zu erlernen, sondern auch während meiner Ausbildung bei matsh.ch darin unterrichtet zu werden. Über die Jahre weiter verfeinert und ausgebaut, mit zusätzlichem und immer wieder neuem Wissen angereichert,  ist es mir eine Freude, diese wertvolle und sinnbringende Übung meinen Kund*innen weiter zu vermitteln.


 






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